Was gibts Neues?
Themen, Ideen, Termine und viele weitere spannende Nachrichten aus unserem weitverzweigten Netzwerk - wenn es etwas Neues gibt, lesen Sie es hier.
„Apfelwelt in Aufruhr“: Südtirol und die Pestizide
Obst soweit das Auge reicht: Das größte zusammenhängende Obstbaugebiet Europas kämpft um seinen Ruf als Urlaubsort. Jährlich reisen tausende Gäste mit Rad und zu Fuß durch die Obstplantagen im Vinschgau. Damit sowohl Landschaft als auch Apfel den Anforderungen von Konsumenten genügen, setzen die Apfelbetriebe auf Pestizide.
Pesitziddaten geben erstmals Einsicht
Dass Apfelbetriebe Pflanzenschutz betreiben müssen, um Handels- und Verbraucheransprüchen an das Obst zu genügen, ist bekannt. Wie viele Pestizide sie wirklich einsetzen, zeigt erstmals eine Studie des Umweltinstituts München. Es wertete Daten von rund 680 Obstbaubetrieben im Vinschgau aus dem Jahr 2017 aus – mit besorgniserregendem Ergebnis.
Tag für Tag Spritzeinsätze
Von Mai bis September verging kein Tag ohne Spritzeinsatz in der Region. Insgesamt rund 330.000 mal setzten die Apfelbetriebe Pestizide in ihren Anlagen ein. An einem Tag Ende April fuhren die Betriebe am meisten Einsätze: rund 19.000. Über die Saison nutzten sie dabei 215 verschiedene Mittel. In knapp 60 % der Einsätze war es eine Mischung aus mehreren Mitteln, teils bis zu neun verschiedene. Inzwischen hat die EU 14 davon verboten.
Der perfekte Apfel
Die Betriebe kämpfen gegen Krankheiten und Schädlinge, die sich negativ auf Bäume, Blätter und letztlich das Obst selbst auswirken. Pilzkrankheiten wie Apfelschorf und Mehltau waren der häufigste Einsatzgrund. An dritter und vierter Stelle folgen die Unterdrückung von Unkraut sowie der Einsatz gegen den Apfelwickler. Indem sie die Früchte durch Spritzmittel bereits zu Beginn der Saison ausdünnen (Platz 5), sorgen die Betriebe für große und gleichmäßige Äpfel, die Verbraucher ansprechen.
Herausforderungen von allen Seiten
Obstbaubetriebe sind Unternehmen und leben von ihrer Arbeit von und mit den Plantagen. So erwirtschaftet der Obstbau rund 2,8 % der Gesamtwertschöpfung Südtirols und ist gleichzeitig Grundlage des starken Tourismus der Region. Neben den Methoden, den hohen Ansprüchen an Landschaft und Produkt, suchen die Südtiroler Obstbäuerinnen und -bauern – wie im Streuobst auch – nach Lösungen, um ihre Anlagen und Betrieb stark gegen den Klimawandel zu machen. Seit 1980 stieg die Durchschnittstemperatur im Vinschgau um 2 °C an. Das wirkt sich auf die Bäume in den sowieso schon trockenen Tälern verheerend aus. Die geringe Sortenvielfalt bietet hier nur eine kleine Chance, Ausfälle auszugleichen. Gegen die verstärkten Starkniederschläge schützen die Obstbetriebe ihre Anlagen mit Hagelnetzen. 10 % der Südtiroler Obstbetriebe wirtschaften biologisch.
Gute Gründe fürs Streuobst
Egal, wie die Schlagzeilen ausfallen oder welche Studien für Aufschreie sorgen: Wir, von Hochstamm Deutschland e.V. appellieren aus gutem Grund für Streuobst. Mit seiner Vielfalt in Sorten und Strukturen ist es deutlich resilienter aufgestellt als der intensive Obstbau. Und das Beste: Streuobst kann auch Tafelobst. Was unsere Vorfahren selbstverständlich täglich pflegten und aßen, ist heute für die meisten Menschen selten. Das Obst von Streuobstwiesen sieht zwar teilweise weniger perfekt aus, bietet dafür aber sehr viel Geschmack und gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe. Und das meist ganz ohne umwelt- und gesundheitsschädliche Pestizide. Jede:r Genießer:in trägt mit dem Kauf von Streuobstprodukten dazu bei, die Streuobstheld(inn)en zu unterstützen, Artenvielfalt und Streuobstflächen zu bewahren.
Quellen und Links:
Baumert, V., Vogt, C., Neumeister, L. (2023): Pestizideinsatz im Apfelanbau. Auswertung der Pestizideinsatzdaten von Apfelbau-Betrieben aus dem Vinschgau 2017. https://umweltinstitut.org/wp-content/uploads/2023/01/20230125_Umweltinstitut_Auswertung-Pestizideinsatz-im-Apfelanbau-1.pdf
EURAC RESEARCH (2018): Klimareport (2018) https://www.eurac.edu/de/data-in-action/klimawandel-monitoring
Überschrift: Anlehnung an einen Artikel des BR (2023): https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/pestizidrecherche-suedtiroler-apfelwelt-in-aufruhr,TU3qqdg
(Foto: pixabay)