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Erfahrungen aus den USA: Schwachwuchsinduzierende Unterlagen im Apfelerwerbsanbau
Die Cornell University in Geneva in den USA startete Ende der 1960er Jahre ein Züchtungsprogramm für Apfelunterlagen mit dem Fokus auf Feuerbrandresistenz und Kragenfäule. Die sogenannte Geneva-Unterlage kann heute eine Lösung bei Bodenmüdigkeit und Nachbauproblemen im deutschen Erwerbsobst- und intensiven Mostobstbau sein.
Auslöser von Bodenmüdigkeit und Nachbauproblemen: die M-Unterlage
Seit Jahrzehnten werden im Apfelanbau vegetativ vermehrte Typenunterlagen eingesetzt. In East Malling in England wurden seit den 1950er Jahren fast ausschließlich die M-Unterlagen (Malling-Serie) im Erwerbsanbau verwendet. Dies führte dort zur Bodenmüdigkeit, was Nachbauprobleme zur Folge hat. Im Erwerbsobstbau sind die M-Unterlagen größtenteils nur aus der M 9-Gruppe, was die genetische Basis der Unterlagen im Anbau weiter eingrenzt. Nur wenige Unterlagen haben einen anderen genetischen Hintergrund. Dazu zählt die Geneva-Serie aus den USA.
Die Lösung aus den USA: Unterlagen aus der Geneva-Serie
Seit 2001 werden die Geneva-Unterlagen auch in Europa getestet. Mittlerweile sind sie im Handel erhältlich. Für die europäischen Anbauverhältnisse haben sich drei Unterlagen (G16, G11 und G41) etabliert. Auch an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO) werden Geneva-Unterlagen seit mittlerweile 20 Jahren in verschiedenen Versuchen geprüft. Dr. Franz Rueß schildert in seinem Bericht nun positive Erfahrungen – er skizziert Unterlagenversuche und Ergebnisse auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen.
Auf Obstversuchsgut Heuchlingen: größere Früchte, höheres Gewicht
Auf dem Obstversuchsgut in Heuchlingen werden seit 70 Jahren Äpfel angebaut. Die am meisten verwendete Unterlage war M9. Es stellten sich ebenfalls Nachbauprobleme ein, die unter dem Einfluss der Klimaverschiebung größer werden.
Im Jahr 2001 pflanzten die Forscher die damalig neuen Geneva-Unterlagen auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen. Es handelte sich um einen europäischen Versuch mit der Sorte Golden Delicious. An sieben weiteren Standorten in Europa von Polen bis Spanien pflanzten die Forscher weitere einheitliche Anlagen in Form einer voll randomisierten Blockanlage an. Der Erfahrungsbericht schildert, dass die neuen Unterlagen aus dem Geneva-Programm auf der Basis von Malus robusta 5 die Vitalität der Pflanzen verbessern. Sie führen zwar zu stärkerem Wachstum, aber teils auch zu Mehrertrag und größeren Früchten. Sie stellen vor allem in der Kombination mit kleinfrüchtigen Massenträgersorten eine Alternative zu M9 dar. Mittlerweile sind diese Unterlagen im Handel erhältlich. Die Verwendung von Geneva 11® wird daher im Obstversuchsgut Heuchlingen auch abseits des Versuchswesens praktiziert.
Profitieren auch Streuobstwiesen?
Im Streuobstbau garantieren starkwachsende Unterlagen, dass Hochstämme entstehen. Damit diese eine Höhe über 1,80 erreichen, verwenden Baumschulen häufig Sämlingsunterlagen. Dazu wählen sie v.a. die Apfelsorte „Bittenfelder“, die sie – anders als bei schwachwachsenden Unterlagen – durch Aussaat gewinnen. Bei den neuen Geneva-Varianten handelt es vorwiegend um schwachwüchsige Unterlagen, die v.a. im Erwerbsobstbauern zum Einsatz kommen. Die entstehenden Spindelbäume tragen Tafelobst. Geneva 41 eignet sich auch für den Freizeitgartenbau und den intensiven Mostobstanbau.
- Zum Artikel von Dr. Franz Rueß: 20 Jahre Erfahrungen mit schwachwuchsinduzierenden Apfelunterlagen aus Geneva / USA
Was ist eine Unterlage?
Steckt ein Obstzüchter einen Apfelkern in den Boden entsteht zwar im Laufe der Zeit ein Apfelbaum, allerdings unterscheidet er sich vom Herkunftsbaum. Weil Obstbauern aber die gleiche Sorte bevorzugen, sind viele Obstbäume veredelt. Das bedeutet, sie bestehen aus Unterlage und Edelsorte. Eine Unterlage bestimmt im Obstbau, u. a. wie groß der Baum später wird. Bereits hier legt der Fachmann fest, ob aus dem Pflanzmaterial ein Hoch-, Halb- oder Busch- bzw. Spindelbaum entsteht. Die Unterlage bildet in der Regel die Wurzel und einen kurzen Teil des Stammes. Damit gewährleistet sie die Wasser- und Nährstoffaufnahme und beeinflusst Wuchsstärke, Fruchtreife, Ausfärbung und Haltbarkeit der Früchte des Veredlungspartners. Baumschulen gewinnen vegetativ vermehrte Unterlagen durch Abrisse. Dazu regen die Experten sog. Mutterpflanzen durch Rückschnitt zum Austrieb aus mehreren Augen an. Diese häufeln sie an, sodass die jungen Triebe an der Austriebsstelle im Erdbereich Wurzeln bilden. Im Herbst „reißt“ der Pflanzenbauer die neuen bewurzelten Neutriebe ab – eine Unterlage entsteht (Quelle: VGiD)
Weitere Informationen
- Apfelbäume: Die richtige Unterlage
- Hanke, Flachowksy (2017): Obstzüchtung und wissenschaftliche Grundlagen
Quellen:
Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz: Infodienst Landwirtschaft - Ernährung - Ländlicher Raum, Aktuelle Meldungen (2021): https://lvwo.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde,W-2/3790250
Rueß, F. (2021): 20 Jahre Erfahrungen mit schwachwuchsinduzierenden Apfelunterlagen aus Geneva / USA. URL: https://lvwo.landwirtschaft-bw.de/pb/site/pbs-bw-new/get/documents/MLR.LEL/PB5Documents/lvwo/pdf/a/Apfelunterlagen_aus_Geneva_USA.pdf
VGiD Verband der Gartenbauvereine in Deutschland e.V. (2021): https://www.gartenbauvereine.de/vgid/gartenthemen/item/apfelbaeume-die-richtige-unterlage
Bild: Einfluss wichtiger Apfelunterlagen auf das Wachstum der Edelsorte (Rueß 2021, S. 1)