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Meinungslandschaft: Aktion Gelbes Band
Seit mehreren Obstsaisons ist die Aktion „Gelbes Band“ in vielen Regionen im Gange und genießt mittlerweile große öffentliche und mediale Aufmerksamkeit. So haben auch wir von Hochstamm Deutschland e.V. darüber berichtet (u.a. 08/2021) und waren anfänglich von der innovativen Aktion angetan.
Ein Gelbes Band zur Rettung von Obst
Ein gelbes Band an einem Obstbaum signalisiert für jeden/jede: Hier darf kostenfrei Obst probiert und für den Eigenbedarf gepflückt werden. „Das wertvolle Obst verkommt nicht“ - gilt als vermeintlich ehrbares Argument des kostenfreien Pflückens. Damit wird für das Thema der Nachhaltigkeit sensibilisiert und ein Zeichen gegen die Lebensmittelverschwendung gesetzt. Und das alleinig durch ein gelbes Stück Stoff direkt am Wegesrand. Die Aktion kommt also insbesondere Eigentümer(inn)en entgegen, die ihre Streuobstwiese durchaus erhalten möchten, für das Obst jedoch keine Verwendung haben. Aus den Medien geht hervor, dass in mehreren Regionen bereits gute Erfahrungen mit der Aktion gemacht wurden. Dies bestätigt zum Beispiel eine Umfrage im Landkreis Südwestpfalz: Es wurden mehrere Perspektiven befragt, die alle zusammen ein zufriedenstellendes Bild ergeben (online, Link).
Bisher wurden stets diese positiven Aspekte der Initiative öffentlich in den Fokus gerückt. Nach und nach wurden aber auch die kritischen Stimmen lauter. Ein Artikel in der Rheinpfalz (online, Link) hat Anfang Oktober beide Perspektiven beleuchtet. Zu Wort kamen der Verein Leben und Natur in der Südpfalz (LuNa) und die Stadt Landau. Auch wir von Hochstamm Deutschland e.V. sehen uns aufgrund unserer Leitlinien in der Pflicht über die Argumente des Artikels zu berichten und zu plakatieren, dass es neben dem Nutzen auch eine unbestreitbar faulige Kehrseite der gutgemeinten Aktion gibt.
Kritik: Gefährdung statt Erhalt der Streuobstwiesen
Wie wir und die Streuobstakteure stets erklären müssen, ist die Anlage und Bewirtschaftung einer Streuobstwiese harte Arbeit, für die die Streuobst-Held(inn)en zumeist unzureichend entlohnt werden. Es ist eine langjährige Verpflichtung, die nur funktioniert, wenn intensive Tätigkeit, Erwerb und Einsatz von Fachkenntnis und Investitionen in sinnvolle Nutzungskreisläufe und faire Finanzierungsmodelle eingebettet sind. Die Wiesen sind regelmäßig zu mähen und freizuhalten, die Obstbäume müssen fachkundig geschnitten werden.
Laut dem Verein Luna animieren die Gelben Bänder dagegen mutmaßlich auch Personen, die sich nicht zwangsläufig mit dem fachgerechten Pflücken auskennen. So könnte es beispielsweise zum Runterreißen von Ästen kommen. Neben diesem Risiko des Vandalismus könnte das Angebot „Schnäppchen-Jäger“ und „Streuobst-Touristen“ anlocken. Aber die Natur und ganz besonders die Streuobstwiesen seien kein Selbstbedienungsladen, so Luna. Durch das Angebot des kostenlosen Pflückens wird die harte Arbeit der Streuobst-Held(inn)en überhaupt nicht entlohnt und könnte bedingen, dass die Bewirtschaftung einer Streuobstwiese weiterhin an Wertschätzung und wirtschaftlicher Rentabilität verliert. Der Verein Luna befürchtet, dass die Aktion die seit Jahren schrumpfende Gruppe der in der Streuobstwiesen-Pflege aktiven professionellen und zumeist ehrenamtlichen Akteure belastet. Zudem senke das Band die Hemmschwelle, auch an nicht gekennzeichneten Bäumen Obst zu pflücken.
Final argumentiert der Verein, dass das zentrale Argument der Aktion, dass ein Zeichen gegen die Lebensmittelverschwendung gesetzt würde, falsch sei. Denn Fallobst verkommt in der Natur nicht einfach wie ein fauler Apfel in der Speisekammer: Fallobst ist wichtig für Vögel, Kleinsäuger und Insekten, die sich auf den Streuobstwiesen tummeln. Als Nahrungsquelle leistet es einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt.
Mehr als die Ernte: Patenschaften
Der Online-Artikel der Rheinland-Pfalz hat in seiner Argumentation verdeutlicht, dass neben den Vorteilen auch die Nachteile der Aktion „Gelbes Band“ unbestreitbar sind. So empfehlen wir von Hochstamm Deutschland e.V. das Konzept sogenannter Patenschaften. Diese bergen dieselben Vorteile wie die Aktion „Gelbes Band“: das Obst wird gesammelt, verwertet und als kostbare Frucht geschätzt. Gegenüber den gelben Bändern umfassen Patenschaften aber mehr als nur die Ernte. Zum Beispiel können die Patinnen und Paten in die Pflege der Obstbäume eingebunden werden. In einer solchen Begegnung der Eigentümer*innen und der Patinnen und Paten wird Wissen weitergegeben. Somit können eine höhere Wertschätzung für die Streuobstwiesen hergestellt und der Weg für eine sachgemäße und verantwortungsbewusste Ernte geebnet werden.
Schwäbisches Streuobstparadies ist aktiv
Damit Obst nicht ungewollt von Fremden abgeerntet wird, hat der Verein Schwäbisches Streuobstparadies ein „Mundraub Schild“ aus wetterbeständigem Material entworfen. Die Schilder können ab sofort bei der Geschäftsstelle per Mail (kontakt@streuobstparadies.de) oder Telefon (07125 309 32 63) bestellt werden. Weitere Informationen
Quelle:
Die Rheinpfalz (2021): https://www.rheinpfalz.de/lokal/kreis-suedliche-weinstrasse_artikel,-naturschutzverband-kritisiert-aktion-das-gelbe-band-_arid,5262157.html