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Reisebericht: Hochstamm Deutschland zu Gast in kasachischen Urapfelwäldern
Zentralasien ist die Heimat von Malus sieversii – so der offizielle lateinische Name des Urapfels, der auf einen deutschen Forschungsreisenden zurück geht. Er wächst in einem Verbreitungsgebiet, das sich vom südlichen Kasachstan über Kirgistan und Usbekistan bis nach China hinein erstreckt. In den Tarbagatai-Bergen, unweit von Almaty, der größten Stadt Kasachstan, bildet der Wildapfel ganze Wälder. Nicht umsonst trägt die Stadt den Apfel im Namen. Almaty bedeutet „Stadt des Apfels“.
Wo wilde Apfelwälder blühen
Eine Apfelstadt, wilde Apfelwälder und Streuobst auf eine ganz besondere Art: Grund genug für Hochstamm Deutschland dort auf den Spuren des Urahns unserer Streuobstsorten zu wandeln. Zusammen mit Forscherinnen und Forschern der Agraruniversität in Almaty machte sich die Geschäftsstelle auf ins Gebirge. Weit oben, auf über 1.000 Metern, bot sich ein faszinierender Anblick: Tausende Apfelbäume bilden einen dichten Wald. Die Bäume wachsen dort wild, haben teils mehrere Stämme und kommen völlig ohne menschliche Pflege aus. Mitte April setzt gerade die Blüte ein. Die ersten Knospen öffnen sich, unbeeindruckt von der in der Nacht zuvor gefallenen Schneedecke.
Sortenerhalt auf Kasachisch
Mit allradbetriebenen Geländewagen geht es über die steilen Bergwege mit teils breiten Schlaglöchern und Regenrissen durch die ersten locker stehenden Apfelbäume immer weiter hinauf ins Gebirge. Plötzlich erscheint ein Schild mitten im Nirgendwo: In den dicht bewaldeten Hängen, meilenweit entfernt vom nächsten Dorf, hat der Nationalpark eine Erhaltungsstation eingerichtet. Mit Kleinvieh, Garten und alten russischen Fahrzeugen und nahezu selbstversorgend lebt dort ein erfahrener Ranger. Er ist für den Erhalt des Malus siversii zuständig, sammelt und bewahrt Apfelkerne.
Jahr für Jahr mehr Lücken
Die Zukunft des Asiatischen Wildapfels ist ungewiss. Er ist gefährdet und steht auf der Roten Liste. Gerade in unmittelbarer Nähe von Almaty nahmen die Bestände in besorgniserregendem Maße ab. Teils weichen sie modernen Obstplantagen, teils den Villen reicher Stadtbewohner, die in den höher gelegenen Regionen rund um die Stadt frische und kühlere Luft suchen. 70 bis 80 Prozent der wilden Apfelwälder gingen dadurch in den letzten 30 Jahren verloren. Dies ist aber nicht der einzige Grund, warum der Wildapfel ins Interesse des Nationalparks und Forschungseinrichtungen aus der ganzen Welt, u.a. den USA und China geriet.
Urapfel als Schatz für die Zukunft?
Der perfekte Apfel – nichts weniger versprechen sich Züchtungsbetriebe und ganze Staaten von Malus sieversii. Er hat ein enormes genetisches Potenzial. Die Früchte selbst zeigen eine große Vielfalt: große und kleine Exemplare, gelbe bis hin zu rotfleischigen Äpfeln, süße und saure Individuen. Das raue Klima bewirkt außerdem weitere Eigenschaften, die gerade auch für den modernen Obstbau besonders interessant sind. Der Urapfel ist widerstandsfähig, teils resistent gegen Krankheiten wie dem Apfelschorf und regeneriert sich schnell. So versprechen sich Züchter vom Einkreuzen in moderne Obstsorten eine bessere Krankheitsresistenz und besonderen Geschmack. In Kasachstan selbst ist beispielsweise der „Aport“ eine der beliebtesten Apfelsorten – eine Kreuzung aus Malus sieversii und einer russischen Sorte.
Streuobst und wilde Apfelwälder: Erhaltenswert
Hochstamm Deutschland e.V. ist beeindruckt vom „Streuobst“ aus Kasachstan. Im Gegensatz zu „unseren“ Streuobstbeständen, die zwingend auf die menschliche Pflege und Bewirtschaftung angewiesen sind, wachsen die Urapfelwälder in Kasachstan wild. Aber auch sie sind heute auf Menschen angewiesen, die das enorme Potenzial für die Zukunft bewahren. Ein Schritt in diese Richtung ist auch das neugegründete Institut für den Schutz von Biodiversität und Ökosystemleistungen an der nationalen Agraruniversität in Almaty. Hochstamm Deutschland e.V. ist eines der Gründungsmitglieder. Auch hier gilt: Ein gemeinsames Netzwerk und Wissensaustausch helfen, unser Erbe – sei es der Streuobstanbau in Europa oder die wilden Apfelwälder in Zentralasien – fit für die Zukunft zu machen.
Weiterführende Links:
- Neue Synergien: Warum ein Institut für Artenvielfalt in Kasachstan und Streuobst zusammenpassen
- Kazakh-German Institute for the Protection of Ecosystems and Biodiversity (KaGEB)
Quellen:
Weleda AG (Hrsg.) (o. j.): https://werde-magazin.de/blog/2019/02/14/urapfel-kasachstan/
BBC (Hrsg.) (2016): https://www.bbc.com/future/article/20160523-kazakhstans-treasure-trove-of-wildly-flavoured-apples
Kazakh National Agrarian Research University (Hrsg.) (2023): https://www.kaznaru.edu.kz/page/news/?link=aportty_khalykaralyk_dengeide_zhangyrtu_3390&lang=en
Fotos:
Kasachstan 1: Wild, würdevoll, wegweisend: Malus sieversii bildet die Grundlage moderner Apfelsorten und wächst ohne menschliches Zutun. Quelle: Hochstamm Deutschland e.V.
Kasachstan 2: Die Sortenerhaltungsstation des Nationalparks mitten in den Bergen widmet sich dem Malus sieversii. Quelle: Hochstamm Deutschland e.V.
Kasachstan 3: Noch stehen die Bäume dicht an dicht, aber auch die wilden Urapfelwälder sind stark gefährdet. Quelle: Hochstamm Deutschland e.V.
Kasachstan 4: Die Apfelwälder und das Erhaltungsziel im Rücken: Die internationale Truppe bei ihrer Exkursion mit Hochstamm Deutschland e.V. arbeitet auch in Zukunft zusammen. Quelle: Hochstamm Deutschland e.V.