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„Robuste Apfelsorten“ für den Streuobstanbau
Obstbauexperten testeten in einem gemeinsamen Projekt robuste Neuzüchtungen in der Praxis. Das Ziel: Neue, wenig anfällige Apfelsorten für den ökologischen Anbau und den Streuobstbau. Die Ergebnisse zeigen: Alte Sorten haben durchaus Potenzial. Am Projekt beteiligt waren das Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB), die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO), die Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau e.V. (FÖKO) und fünf Obstbaubetriebe.
Neue Sorten für den Streuobstbau
Für den Streuobstbau ist die Wahl robuster Sorten ein wesentliches Kriterium, da Bewirtschafter in der Regel keine Pflanzenschutzbehandlungen durchführen. Ein gewisses Maß an Befall ist tolerierbar, solange Baumwachstum, Fruchtqualität und Ertrag nicht wesentlich beeinträchtigt sind. Neben der Widerstandsfähigkeit benötigen die Sorten aber auch andere positive Eigenschaften hinsichtlich Kronenentwicklung, Fruchtgröße oder Alternanz.
Im 2021 abgeschlossenen Projekt testeten die Projektpartner eine neue, widerstandsfähige Sorte für den Streuobstbau an verschiedenen Standorten: Admiral. Die triploide, sehr robuste Sorte wächst stark, hat einen guten Geschmack und ist sehr gut lagerfähig. Sie stammt aus dem tschechischen Institut für Experimentalbotanik (UEB) in Prag. 140 Bäume verteilte das KOB in Zusammenarbeit mit Kreisfachberatern an Streuobstbewirtschafter in unterschiedlichen Regionen Baden-Württembergs. Die Ergebnisse der ersten Jahre sind überwiegend positiv, auch wenn die trockenen Sommer auf einigen Standorten ein vermindertes Wachstum zur Folge hatten.
Eine Besonderheit gegenüber dem Erwerbsanbau, die bei Empfehlungen für die Praxis wichtig sind, ist die sehr lange Standdauer der Bäume im Streuobstbau. Apfelbäume mit über 60 Jahren und mehr sind keine Seltenheit. Der Ausfall in den ersten 10 Jahren nach der Pflanzung ist hoch, die Pflege sehr arbeitsaufwändig. Ein nennenswerter Ertrag ist ebenfalls erst nach 10-15 Jahren zu erwarten. Um ein möglichst aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, beobachtet die Forschungsgruppe die Eigenschaften von ‚Admiral‘ noch weitere Jahre.
Alte Sorten verhindern genetische Verarmung im Apfelsortiment
Ein Problem im Apfelanbau ist die genetische Verarmung des modernen Sortimentes. Die Mehrzahl dieser Sorten gehen auf die Elternsorten ‘McIntosh‘, ‘Golden Delicious‘ und ‘Jonathan‘ oder deren Abkommen zurück. Kreuzen Züchter diese geschmacklich und obstbaulich wertvollen, aber auch anfälligen Sorten untereinander, verfügen die Nachkommen ebenfalls über ähnlich positive Eigenschaften. Die Robustheit gegenüber Schaderregern stand bei früheren Züchtungen nicht im
Vordergrund. Durch diese „Inzucht“ entsteht eine stärkere Anfälligkeit des modernen Sortimentes für Pflanzenkrankheiten und Schädlinge. Im Gegensatz dazu herrscht im Streuobstbau noch eine sehr große Vielfalt.
Durch das Einkreuzen mit robusten „alten“ Sorten arbeitete das KOB daran, die genetische Basis wieder zu verbreitern um das Apfelsortiment insgesamt widerstandsfähiger zu machen. Anhand von Untersuchungen zu Sorteneigenschaften sowie der pomologischer Fachliteratur wählte das Forscherteam vielversprechende Elternsorten für die Züchtung aus. Das Hauptkriterium für die Wahl der Elternsorten war ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Schorf und Mehltau. Weitere Eigenschaften wie Geschmack, Lagerfähigkeit, Ertrag und Aussehen sollten ebenfalls möglichst gut sein. Ausgewählte Elternsorten waren beispielsweise: ‘Bittenfelder‘, ‘Dülmener Rosenapfel‘, ‘Ilzer Rosenapfel‘, ‘Kardinal Bea‘, ‘Martini‘, ‘Oberlausitzer Muskatrenette‘ und ‘Seestermüher Zitronenapfel‘.
Sind alte Sorten grundsätzlich robuster als neue Sorten?
Robuste und weit verbreitete Streuobstsorten sind häufig triploid und finden Einsatz als Wirtschaftsäpfel. Viele von den am meisten gepflanzten und empfohlenen Sorten im Streuobstbau wie ‘Brettacher‘, ‘Rheinischer Bohnapfel‘, ‘Jakob Fischer‘ oder ‘Kaiser Wilhelm‘ haben eine gemeinsame Eigenschaft: Sie besitzen einen dreifachen statt einem zweifachen Chromosomensatz. Ein großer Vorteil: Mehrfache Chromosomensätze verbessern Wachstum, Fruchtgröße und Widerstandsfähigkeit. Bei einer Apfelsorte mit sehr großen Blättern gehen die Forscher meist davon aus, dass sie triploid ist. Als Befruchter sind die triploiden Apfelsorten allerdings nicht geeignet. Die Züchtung mit Ihnen ist daher schwierig. Zudem ist es fraglich, ob diploide Nachkommen die gleichen Vorteile besitzen, wie ihre triploiden Eltern.
Hinzu kommt, dass viele der besonders robusten Streuobstsorten nicht als Tafeläpfel, sondern als Most- bzw. Wirtschaftsäpfel verwendet werden. Ihr hoher Polyphenolgehalt sorgt für eine höhere Widerstandskraft, doch zugleich für einen herben Geschmack.
Ein weiterer, sehr wichtiger Grund für den relativ geringen Krankheitsbefall im Streuobstbau liegt in der Sortenvielfalt begründet. Sie erschwert es den Krankheitserregern, sich an einzelne Sorten anzupassen. Je größer die Fläche mit der gleichen Sorte ist, umso besser spezialisieren sich Krankheitserreger. Auch ein flächenmäßig starker Anbau von robusten Sorten führt daher mit der Zeit zu einer stärkeren Anfälligkeit oder einem Durchbruch der Resistenz. Sogar die Sorte ‘Golden Delicious’ stuften Züchter zunächst als resistent ein und lagen damit genauso falsch wie bei der Schorfanfälligkeit von ‘Jonagold‘. Diese hat sich mit der Zunahme der Anbaufläche im Bodenseeraum deutlich verstärkt. Doch viele alte Sorten verfügen über besondere Resistenz-Eigenschaften und durch ihre Vielfalt erweitern sie die genetische Basis.
Wie also züchten?
Experten unterscheiden monogene Resistenzen, die auf einem Gen beruhen und polygene Resistenzen, die von mehreren Genen bewirkt werden. Ein bekanntes Beispiel für eine monogene Resistenz ist die Sorte ‘Topaz‘. Sie enthält das Vf-Resistenzgen der Wildapfelart Malus floribunda. Die erfolgreiche Sorte bauten Apfelbauern häufig an, doch im Laufe der Zeit gelang es den Schorferregern, die Resistenz zu durchbrechen.
Alte Sorten weisen hingegen häufig eine polygene Resistenz auf. Diese Resistenz durchbrechen Schaderreger weniger leicht. Sie bewirkt eine Robustheit der Sorten, aber keine absolute Befallsfreiheit. Das Ausmaß des Befalls hängt von Umweltbedingungen wie dem Wetter ab.
Durch die Kreuzung von monogenen neuen Sorten und alten Sorten mit polygenen Resistenzen steigert sich demnach die Widerstandfähigkeit. Auch die Sorte ‘Admiral‘ verfügt über beide Resistenzmechanismen. Ein Problem für die Züchtung besteht bisher noch darin, dass sich polygene Resistenzen im Labor nur schwer feststellen lassen.
Erste Ergebnisse der Züchtung mit Streuobstsorten weitere Vorgehensweise
Die Kreuzungen mit den ausgewählten Elternsorten führte die LVWO durch. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Streuobstsorten-Züchtungen tendenziell sehr robust sind, jedoch relativ viel Säure enthalten. Weitere Untersuchungen folgen in den nächsten Jahren. Möglicherweise ist es sinnvoll, die besten Streuobst-Abkömmlinge erneut mit geschmacklich guten Sorten zu kreuzen. Weiterentwickelte genetische Analysen helfen, frühzeitig vielversprechende Sämlinge zu entdecken.
Nachfolgeprojekt: Weniger Frost im Obstbau
Infolge des Klimawandels sind die Blüten von Apfel- und Birnensorten durch Spätfröste stärker gefährdet. Spätblühende Sorten und frostunempfindliche Blüten verringern das Ausfallrisiko und sind ebenfalls für die Züchtung sehr interessant. Ein neues Forschungsprojekt am KOB befasst sich daher mit der Züchtung von frostrobusten Sorten. Auch hier nuten die Forscher die Vielfalt alter Sorten.
Quelle: Monika Meyer, Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB)