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Standards der Obstbaumpflege: Warum die Streuobstwelt sie braucht
Die Standards der Obstbaumpflege sind das Ergebnis einer mehrjährigen Arbeit der "Arbeitsgruppe Obstgehölzpflege" (AGO) des Pomologen-Vereins. Anhand der Standards ist es nun möglich, dass Auftraggeber Leistungen der Obstbaumpflege qualifiziert ausschreiben und geschulte Obstbaumpflegerinnen und Obstbaumpfleger ihre Qualifikation bei Ausschreibungen geltend machen.
Für alle, die Berichte und Erfahrungen zu den Standards von den Machern selbst erfahren wollen.: Am Samstag, 4. Mai stellen die Autoren die Standards am 18. Landesweiten Streuobsttag Baden-Württemberg vor. Auch eine online-Teilnahme ist möglich (LINK).
Der Anlass: Warum braucht es die Standards?
Die AGO beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren ehrenamtlich mit dem Thema fachgerechter Vorgaben im Umgang mit großkronigen Obstbäumen. Anlass zur Formulierung von, an die Obstbaumpflege angepassten, Standards sind die Besonderheiten großkroniger Obstbäume im Gegensatz zu anderen Straßenbäumen. Die vorhandenen Regelwerke der Allgemeinen Baumpflege (z.B. ZTV-Baumpflege) berücksichtigen sie in wesentlichen Teilen nicht. Mit dem Beginn einer Förderung war die Grundlage für ein Team aus Fachleuten innerhalb der AGO geschaffen, sich intensiv dem Thema zu widmen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, eine Crowdfunding-Kampagne und nicht zuletzt Eigenmittel und weitere ehrenamtliche Arbeit des Pomologen-Vereins förderten das Projekt.
Der Inhalt: Was ist drin?
Die Standards umfassen insgesamt 141 Seiten. Den wichtigsten Teil – die normativen Vorgaben – finden Interessierte auf 14 zusammengefassten Seiten. In den Folgeteilen und Anhängen gibt es hierzu genauere Erläuterungen. Tabelle 1 zeigt den Aufbau des Leitfadens.
Tab 1.: Aufbau der Standards in der Obstbaumpflege
1 |
Geltungsbereich, Besonderheiten der Obstbaumpflege |
Für welche Obstkultur gelten die Standards? Apfel, Birne, Süßkirsche und Pflaume Was sind die Besonderheiten der Obstbäume gegenüber anderen Baumarten bei der Pflege? Physiologische Alterung, Fruchtlasten |
2 |
Ausführung (normativer Teil) |
Zentraler Teil der Standards: Was ist die gute fachliche Praxis? Auf ihn beziehen sich die Erläuterungen und das Glossar (Anhänge A bis C) und auf ihn bauen die Musterleistungsbeschreibungen und die Checklisten zur Abnahme auf (Anhänge D und E) |
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Anhang A
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Erläuterungen zu Kap. 2 Dieser Anhang hat ausschließlich informativen Charakter. Er wurde notwendig, da es auf dem Fachgebiet der Pflege großkroniger Obstbäume trotz zahlreicher Publikationen kaum Literatur gibt, die einige der hier formulierten Methoden und Inhalte behandelt. Das betrifft vor allem Gesichtspunkte der Baumansprache, des Energiehaushalts (Blattmasseverlust), der Astrangordnung und der Kronenfunktionen. |
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Anhang B |
Anwendungsbeispiel Oeschbergkrone Wie ist die Grundstruktur der Oeschbergkorne? |
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Anhang C |
Musterleistungsbeschreibungen Hinweise zur Ausschreibung und Vergabe von Pflegearbeiten, zum Aufstellen von Leistungsbeschreibungen sowie eine Zusammenstellung von beispielhaften Leistungspositionen mit Formulierungsbeispielen |
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Anhang D |
Checklisten Vorlagen für die Überprüfung und Abnahme obstbaumpflegerischer Arbeiten |
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Anhang E |
Glossar |
Der Kern: Welche Anforderungen stellen die Standards an die Pflege?
Normative Vorgaben für eine fachgerechte Obstbaumpflege finden sich nahezu ausschließlich in Kap. 2 "Ausführung". Darin formulieren die Autoren allgemeine Anforderungen zur Pflege großkroniger Obstbäume und zu deren Pflanzung. Sie erklären außerdem im nächsten Abschnitt, welche Pflege der Jungbaum benötigt und wie sich diese anhand der Pflegeziele ableiten lässt. Ein ähnliches Kapitel gibt es für die älteren Bäume.
Das Beispiel: Wie wende ich die Standards praktisch an?
Tabelle 2 veranschaulicht am fiktiven Beispiel eines alten Obstbaumes, wie sich eine fachgerechte Pflege aus dem normativen Teil der Standards ableiten lässt und welche Aufgabe verschiedene Anhänge dabei erfüllen. Der Altbaum hier weist eine deutlich beeinträchtigte Vitalität und eine gering beeinträchtigte Stabilität auf.
Tab. 2: Übersicht zum Umgang mit einem in seiner Vitalität deutlich beeinträchtigten, alten Obstbaum, wie er sich aus den Vorgaben der Standards ergibt
Kap. 2.4.1 Baumansprache |
“Die Vitalität ist einzustufen in “sehr vital”, „vital“, „gering beeinträchtigt“, „deutlich beeinträchtigt“ oder „erheblich beeinträchtigt“. Die Wahl des Verfahrens zur Beurteilung des Baumzustandes ist frei.” |
Kap. 2.4.2 Pflegeziele |
“Ist die Vitalität deutlich beeinträchtigt (RS -1), ist das Pflegeziel vorrangig an der Vitalität auszurichten, selbst bei gleichzeitig deutlich oder erheblich beeinträchtigter Stabilität (ausgenommen bei Verkehrssicherungspflicht). Es ist eine geringe Eingriffsstärke zu wählen. Ziel ist die Testung der Regenerationsfähigkeit. Bei Bedarf kann derselbe Eingriff einmal wiederholt werden. Nur bei verbesserter Neutriebbildung sind weitere Schnittmaßnahmen zu erwägen.” |
Kap. 2.4.4 Eingriffsstärke |
“Bei Eingriffen mit dem Ziel, die Kronenfunktionen zu erhalten oder zu erneuern, sind grundsätzlich schonende Schnittmaßnahmen anzuwenden. Eine deutliche oder erhebliche Beeinträchtigung der Funktionen zieht nicht zwangsläufig eine höhere Eingriffsstärke nach sich. An Kronen mit deutlich verminderter Vitalität (RS -1) darf in Bezug auf die Blattmasse nur mit geringer Stärke eingegriffen werden.” |
Anhang A 11.2 Pflegeziele (Erläuterungen) |
" Ziel an Bäumen mit einer deutlich verminderten Vitalität (RS –1) ist die Überprüfung der Regenerationsfähigkeit, da nicht mehr sicher davon ausgegangen werden kann, dass der Baum noch in der Lage ist, Blattmasseverluste durch eine Neutriebbildung zu ersetzen. (s. dazu auch Anhang A 13.4)." |
Anhang A 13.4 Beispiele zu Vitalität und Eingriffsstärke (Erläuterungen) |
“Eingriffsstärke an Kronen mit deutlich verminderter Vitalität (RS -1) An Kronen mit deutlich verminderter Vitalität ist die Regenerationsfähigkeit unsicher. Um sie zu überprüfen, dient ein erster Eingriff zur vorsichtigen Stimulation der Trieberneuerung. Dabei ist hinsichtlich des Blattmasseverlustes eine geringe Eingriffsstärke anzuwenden. Schon ein Eingriff von nur mittlerer Stärke ist an vergreisten Kronen in aller Regel bereits mit Blattmasseverlusten verbunden, die sich auf den Energiehaushalt des Baumes anhaltend negativ auswirken (an vergreisenden Obstbaumkronen befindet sich ein bedeutender Teil der Blattmasse in der Peripherie). Es besteht die Gefahr, die Regenerationsfähigkeit des Baumes zu überfordern und seine Lebensdauer dadurch einzuschränken. Eventuell reicht ein einziger schwacher Eingriff nicht aus. Dann kann über einen zweiten Eingriff in den Folgejahren mit ebenfalls geringer Blattmassenentnahme erneut versucht werden, die Trieberneuerung zu stimulieren. Nur wenn sich die Vitalität verbessert (v. a. in Form einer einsetzenden Neutriebbildung) sind weitere Schnittmaßnahmen in darauffolgenden Pflegeintervallen mit dem Ziel der Erneuerung der Vitalität sinnvoll.” |
Anhang C 4.2.7 Musterleistungs-beschreibungen (Beispielpositionen) |
" Erneuerung der Vitalität an Obstbäumen in der Altersphase Erneuerungsschnitt an Obstbäumen in Altersphase ausführen. Obstart Apfel, Alter ca. 80 Jahre, Kronendurchmesser etwa 8–9 m, Baumhöhe etwa 8–9 m, Bäume seit mind. 15 Jahren nicht geschnitten; Vitalität deutlich und Stabilität gering beeinträchtigt; Pflegeziel Erneuerungsschnitt zur Überprüfung der Regenerationsfähigkeit, geringe Eingriffsstärke; Eingriff bevorzugt im vergreisten Fruchtholz (überwiegend im Feinastbereich) gleichmäßig über die Krone verteilt " |
Anhang D 2 Checkliste älterer Baum |
"Wurde an Bäumen mit deutlich beeinträchtigter Vitalität eine geringe Eingriffsstärke (max. 15 % Blattmasse, max. 5 cm Aststärke) eingehalten?" |
Der Einsatzort: Überall wo Obstbäume gepflegt werden
Das Wort sagt es bereits: Die Standards zielen darauf ab, ein einheitliches Vorgehen bei der Obstbaumpflege zu bieten. Darum ist die Zielgruppe: Alle, die beruflich, ehrenamtlich oder privat mit der Ausschreibung, Vergabe und Abnahme von Pflegearbeiten an Obstbäumen befasst sind. Dazu gehören beispielsweise
- Kommunen, Naturschutz-, Landwirtschafts- oder Forstbehörden
- Naturschutz- oder Landschaftspflegeverbände
- Obst-und Gartenbauverbände
- (Obst-)Baumpfleger und – pflegerinnen
- private Eigentümer und Eigentümerinnen von Obstwiesen oder Obstbäumen
Die Bekanntmachung: Wie gelangen die Standards zur Zielgruppe?
Die Autoren und arbeiten intensiv daran, die gemeinsam abgestimmten Standards bekannt zu machen, beispielsweise über Mailings an öffentliche Träger, Artikel in Fachzeitschriften, durch Beiträge (Vortrag, Infostand) auf mehreren deutschlandweit oder regional stattfindenden Tagungen, sowie über die Internetseite des Pomologen-Vereins. Außerdem planen die Autoren Schulungen, um Personen, die in ihrer täglichen Praxis mit der Vergabe von Leistungen zur Obstbaumpflege befasst sind, entsprechend zu qualifizieren.
Die Fragen zu den Standards: Wo informiere ich mich?
Die nächsten öffentlichen Veranstaltungen, bei den die Autoren die Standards vorstellen:
- Mai 2024: 18. Landesweiter Streuobsttag Baden-Württemberg (Universität Hohenheim, Stuttgart)
- November 2024: Alleentagung Mecklenburg-Vorpommern
Alle Interessierten erhalten die Standards gedruckt oder als Downloadversion über den Online-Shop des Pomologen-Vereins. Sie kosten 39 € LINK: https://shop.pomologen-verein.de
Bei weiteren Fragen wenden sich Interessierte an Alexander Seyboth, info(at)projektbuerogruen.de
Verlagsangaben
Standards der Obstbaumpflege - Empfehlungen zur fachgerechten Pflege großkroniger Obstbäume
- 141 Seiten
- Auflage 2023
- Autoren: Hans-Thomas Bosch, Hubert Grundler und Ingmar Kruckelmann