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Streuobstvermarktung als Genossenschaft? BODEG zeigt Erfolgsfaktoren
Hochstamm Deutschland e.V. heißt ein neues Mitglied herzlich willkommen. Die BODEG vermarktet Streuobst als Genossenschaft in den Landkreisen Sigmaringen und Tuttlingen. Wie funktioniert das Erfolgsmodell?
Vom Stammtisch zur Genossenschaft
Ende der 90er Jahre fand sich eine Runde heimatverbundener Kunstschaffender und Landwirte zusammen. Der Stammtisch war der Ideengeber für eine Genossenschaft. Das Ziel: Sie entwickeln gemeinsam regionale Wertschöpfungsketten, fördern das unternehmerische Handeln der Mitglieder und setzen sich für die Kulturlandschaft Streuobst mit Schwerpunkt in den Landkreisen Sigmaringen und Tuttlingen ein. Der Markenkern sind Streuobst und die vielfältigsten Produkte daraus.
Mehr Geld für Naturschutzleistungen
Die BODEG schließt Lieferverträge mit Streuobstbewirtschafterinnen und -bewirtschafter ab. Die Obstlieferanten erhalten eine Prämie bis zu 8 Euro/dt auf den aktuellen örtlichen Obstpreis. Es gelten drei Grundsätze: Hochstämme, keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und kein organischer Mineraldünger. Für alle weiteren Naturschutzleistungen erhalten die Lieferanten einen Aufschlag. Grundlage ist ein Prämienmodell. So gibt es beispielsweise für einen regelmäßigen Baumschnitt 2 Euro obendrauf, für biozertifizierte Ware 1 Euro, für die Nutzung der Flächen in der Umweltbildung (z.B. Ernte mit Kindern aus der örtlichen Schule/Kindergarten) 1 Euro obendrauf. 2024 liefern rund 70 Erzeugerinnen und Erzeuger ihr Obst an die BODEG, 29 davon sind auch Mitglied in der Genossenschaft.
Markenkern Streuobst: Von Essig bis Schafwollkissen
Das angelieferte Obst und weitere Rohstoffe aus der Streuobstwiese sind die Grundlage für eine breite Produktpalette. Sie reicht von typischen Getränken aus Streuobst (Apfelsaft, -schorle, Most, Cider) über eine große Bandbreite an Essig (z.B. Balsamico mit verschiedenen Geschmacksrichtungen) bis hin zu Teppichen uns Sitzkissen aus Schafwolle. Schülerinnen und Schüler der Tuttlinger Steinbeisschule mit Schwerpunkt Berufsvorbereitung fertigen für die BODEG Verbissschutzmatten aus Holz, Wühlmaustaschen und Sortenplaketten für Obstbäume. Auch Produkte von Mitgliedsbetrieben vermarktet die BODEG. Kundinnen und Kunden finden die Produkte im Onlineshop des Beuroner Kunstverlags (v.a. Essig) und bei regionalen Verkaufspartnern (z.B. Dorfläden, Hofläden, Getränkehändler, REWE- und EDEKA-Märkten). Neue Produkte nimmt die BODEG ebenfalls bereits in Angriff: Lammfleisch von den Schafen, die den Apfelgarten des Klosters Beuron beweiden; Obstbrände zusammen mit der Klostergärtnerei Beuron und handgewebte Schafwollteppiche aus der neuerworbenen Weberei eines BODEG-Mitglieds.
Starkes Netzwerk für hochwertige Produkte
Die BODEG arbeitet mit Dienstleistern zusammen. Die Kelterei Stingel in Balingen-Weilstetten presst das Obst und stellt die Säfte und Getränke her. Die Grundlage der Essige entsteht in der Essigmanufaktur Weyers in Emmingen-Liptingen. Die Klostergärtnerei Beuron ist ebenfalls Mitglied in der Genossenschaft und veredelt die Essige mit Kräutern. Der Naturpark Oberes Donautal ist ebenfalls ein starker Partner. Er half bei der Gründung und begleitete die BODEG über viele Jahre. Seit 2019 ist die Genossenschaft selbstständig und Mitglied im neu aufgelegten Konzept „Partner des Naturparks“ und vermarktet die Produkte mit großem Erfolg als „Naturpark-Produkte“. In naturschutzfachlichen und pädagogischen Belangen arbeitet die BODEG sehr eng mit dem Naturschutzzentrum Obere Donau zusammen. Zu dritt organisieren Naturpark, Naturschutzzentrum und BODEG Streuobstveranstaltungen wie das Apfelfest, eine Hochstamm-Sammelbestellung, die Pflanzentauschbörse, Schnittkurse oder die Suche nach dem dicksten Birnbaum des Naturparks.
Drei Fragen an Markus Ellinger (ME), Vorsitzender der BODEG zur Vermarktung als Genossenschaft
Streuobst-News (SN): Warum habt Ihr Euch für eine Genossenschaft als Organisationsform entschieden anstelle eines Vereins, wie es typisch ist für den Streuobstbereich? Was sind die Vorteile?
Die BODEG wurde gegründet, um Streuobst, Fleisch, Kunsthandwerk und Ferienwohnungen zu vermarkten. Der Antrieb war also ganz klar die Vermarktung. Das ist mit einem Verein nicht möglich. Von den Plänen ist zwischenzeitlich zwar nur das Streuobst übriggeblieben, aber die Vermarktung ist nach wie vor zentral. Dazu benötigt man einen Wirtschaftsbetrieb. Wir haben es immer wieder diskutiert, aber in unserem Fall ist die Genossenschaft die einzig sinnvolle Organisationsform.
SN: Warum seht ihr einen Vorteil darin, gemeinsam etwas zu bewegen? Was ist der Vorteil z.B. dazu, dass ich als Streuobstbewirtschafter meine Produkte direkt selbst vermarkte?
ME: In der Direktvermarktung gibt es viele Fallstricke – von Lebensmittelsicherheit bis Verpackungsgesetz. Gleichzeitig ist Streuobstbau in den allermeisten Fällen Liebhaberei. Wenn einem nicht nur die eigenen 20 Bäume am Herzen liegen, sondern das landschaftsprägende Kulturgut Streuobst insgesamt, führt an einem kooperativen Ansatz kein Weg vorbei. Gemeinsam kann man größere Mengen zuverlässiger (Alternanz oder lokale Frost-/Hagelereignisse ausgleichen) und mit größerer Produktvielfalt verarbeiten und vermarkten. Zudem profitieren wir vom Wissens- und Geräteaustausch unter Gleichgesinnten. Gemeinsam schafft man mehr!
SN: Welchen Tipp habt ihr für andere lokale Streuobstgruppen/-vereine, die vermehrt wirtschaftlich tätig sein wollen? Was ist ein unbedingtes Muss, welchen Fehler sollten sie nicht machen?
ME: Wer über den Bag-in-box-Saftverkauf zur Finanzierung des gemeinnützigen Vereins hinaus in die Vermarktung einsteigt, muss bedenken, dass die Kosten für z.B. eine Genossenschaft deutlich höher sind. Als Kleinstgenossenschaft wird man alle zwei Jahre vom Genossenschaftsverband geprüft. Eine Kleinprüfung (Kosten im dreistelligen Bereich) und eine umfassende Prüfung (Kosten von ca. 2.500 Euro) wechseln sich ab. Auch weitere Kosten, wie z.B. Steuerberater, muss man einkalkulieren. Wenn man sich für die Gründung einer Genossenschaft entscheidet, gibt es aus meiner Sicht zwei erfolgreiche Modelle: Entweder die Genossenschaft stützt sich auf ein breites ehrenamtliches Engagement oder die Mitglieder müssen ihr eigenes wirtschaftliches Tun komplett der Genossenschaft unterordnen. Dann muss alles, was vermarktet wird, gemeinsam vermarktet werden. Daran ist in unserem Fall die Fleischvermarktung gescheitert. Jeder wollte die Edelstücke selbst verkaufen und nur den Rest genossenschaftlich absetzen. So kann sich ein Wirtschaftsbetrieb nicht tragen. Auch die margenträchtigen Sahnestücke der Vermarktung müssen dann bei der Genossenschaft sein. Und im Streuobstbereich kann man sich bestenfalls auf beide Säulen stützen.
Hintergrund: Was ist eine Genossenschaft?
Eine Genossenschaft ist eine Gesellschaft des privaten Rechts. In ihr schließen sich Personen zusammen, die gemeinsam wirtschaftlich oder sozial tätig sein wollen. Folgende Eigenschaften sind typisch für eine Genossenschaft:
- Uneingeschränkter Geschäftsbetrieb zumindest soweit in Gesellschaftsvertrag definiert, Haftungsbegrenzung wie bei GmbH möglich
- Benötigtes Gründungskapital 0 €
- 7 Gründungsmitglieder
- Vorlagen für Gesellschaftsvertrag von Genossenschaftsverband oder vergleichbarer Genossenschaft
- Bindung von Personen oder Institutionen als Mitglied möglich (ohne Zeichnung von Genossenschaftsanteilen)
- Beteiligung von Gesellschaftern (Kapitalgeber) als Genossen (Zeichnung Genossenschaftsanteile)
- Flexibler Ein- und Austritt als Genosse möglich
- Einschränkung der Rechte der Genossen möglich (Mitbestimmung), z.B. „1 Mann 1 Stimme“ (unabhängig von Kapitalbindung)
- Weitere Beteiligungsmöglichkeiten
- Beteiligung anderer Einrichtungen
- Vereine können (problemlos) Genosse werden
- Verein hat als Genosse aber nur so viel „Macht“ entsprechend seiner Kapitaleinlage bzw. wie im Genossenschaftsvertrag als Unternehmenszweck geregelt
- Potenziell steuerliche Vorteile durch Befreiung von Gewerbesteuer bei „Mitgliedergeschäften“ (über Genossenschaftsvertrag definiert)
- Gründungskosten ca. 2.000 – 3.000 Euro bei Begleitung und Beratung durch Genossenschaftsverband
Weitere Informationen
BODEG - Bäuerliche Vermarktung Oberes Donautal eG
Wolterstr. 16
88631 Beuron
Telefon: 07466/9280-22
E-Mail: kontakt@bodeg.de