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Was tun gegen die Obstmade?
Autor: Hans-Joachim Bannier
Der Apfelwickler ist unser ärgerlichster Gegenspieler im Apfelgarten. Wenn man wissen will, wie man die Zahl madenbefallener Äpfel verringern kann, sollte man zunächst den Lebenszyklus dieses auf Äpfel spezialisierten Insekts verstehen.
Erstes Schlüpfen der Apfelwickler-Falter im Mai
Der Apfelwickler ist ein ganz kleiner, unscheinbar brauner Schmetterling bzw. Nachtfalter, den wir selten zu Gesicht bekommen, weil er nur nachts fliegt. Wenn sich seine Raupen im Herbst an den Kernen unserer Äpfel sattgefressen haben, verpuppen sie sich und überwintern in Ritzen, unter Rindenschuppen oder an anderen geschützten Stellen des Apfelbaumes, um nicht von Vögeln gefressen zu werden. An den ersten warmen Tagen im Mai (bzw. den ersten warmen Nächten) schlüpfen die Falter und sind nach kurzer Zeit bereits geschlechtsreif.
Paarung, Eiablage und Schlüpfen der Apfelwickler-Made
In den nächsten schönen lauen Mai-Nächten (wenn die Städter das erste Mal im Biergarten sitzen…) paaren sich die Falter, wobei die Männchen und Weibchen sich vor allem durch den Geruch finden (den sog. Sexuallockstoff des Weibchens). Anschließend legen die Weibchen ihre Eier direkt auf den Äpfeln ab (die zu diesem Zeitpunkt noch ganz klein sind) oder auch auf Blätter des Apfelbaums. Etwa 8-10 Tage nach der Begattung – das ist meist schon in der ersten Junihälfte – schlüpfen die Maden und bohren sich in die Früchte, um die Kerne des Apfels zu fressen.
Der Apfelbaum “merkt“ das und wirft die befallene Frucht mitsamt der Made ab. Die Made ihrerseits verlässt die Frucht und wandert zum nächsten Baumstamm, an dem sie emporkriecht und sich unter Rindenschuppen, Blättern, an Krebsstellen oder anderen lichtgeschützten Stellen verpuppt.
Zweite Apfelwicklergeneration im Sommer
Da es im Sommer warm ist, verläuft die Entwicklung der verpuppten Raupen nun viel schneller, und schon nach ca. 6-8 Wochen – je nachdem, wie warm die Sommertage sind – schlüpfen die Falter erneut. Eine zweite Generation an Faltern beginnt das Spiel von Neuem – mit dem Unterschied, dass die Früchte inzwischen groß sind und wir sie ernten wollen. Jetzt nerven die kleinen Raupen, weil der Baum die Früchte wieder vorzeitig abwirft und diese dann (manchmal auch schon am Baum) zu faulen beginnen. Wieder verlassen die Maden die Frucht, um sich irgendwo im Baum wieder ein geschütztes Plätzchen zu suchen, wo sie sich über den Winter verpuppen können.
Ist die Apfelernte groß, mag der Verlust wenig ins Gewicht fallen. Allerdings können die Apfelwickler sich in dem Jahr mit reicher Ernte optimal vermehren und sind dann im Folgejahr – im Fall einer schwachen Ernte – umso gravierender.
Natürliche Gegenspieler des Apfelwicklers
Natürliche Gegenspieler wären Hühner unter den Bäumen – die fangen die Maden am Boden ab, bevor sie wieder am Stamm emporkriechen. Auch Fledermäuse sind – als Nachtjäger – unsere Helfer und sollten aktiv gefördert werden (z.B. durch offene Rückzugsräume in Scheunen oder Kellern oder durch Aufhängen von Fledermauskästen), desgleichen auch Eulen. Und schließlich holen sich Blau- und Kohlmeisen hin und wieder auch eine Apfelwickler-Raupe aus der Borke des Apfelbaums.
Da die Apfelwickler besonders die warmen Nächte lieben, ist nachvollziehbar, dass Obstwiesen auf Süd- oder Westhängen stärker betroffen sind als Nord- oder Obsthänge, da sie sich in der Sonne zum Abend hin aufheizen. Dasselbe gilt für Obstgärten in der Stauwärme der Städte.
Was tun im Hausgarten?
Als aktive Gegenmaßnahme im Hausgarten kommt in erster Linie das Anlegen von Wellpappegürteln um den Stamm des Baumes in Betracht. Dazu kann man einfach alte Kartonagen zerschneiden und diese – die Röhren am besten in senkrechter Ausrichtung – um den Stamm wickeln und mit Bindfaden locker anbinden.
Die ersten Raupen, die im Juni mit den herabfallenden kleinen Früchten auf den Boden fielen und nun am Stamm emporkriechen, freuen sich über das dunkle Versteck zwischen Pappe und Stamm (oder womöglich auch in den Röhren der Wellpappe!) und verpuppen sich dort.
Die Wellpappegürtel müssen allerdings jetzt alle 4-5 Wochen einmal vorsichtig abgenommen und auf die (ca. 8mm langen und 1-2 mm dicken) weißen oder rosa-weißen Maden kontrolliert werden (ggf. auch den Pappgürtel als Ganzes verbrennen!). Nicht erschrecken – unter den Pappgürteln hat sich in den 4-5 Wochen auch diverses andere Getier eingerichtet (nix für Menschen mit Spinnenphobie!), unter anderem auch Ohrwürmer, von denen die Wellpappegürtel weit besser angenommen werden als die umgedrehten strohgestopften Tontöpfe, die manche in die Apfelbäume hängen und die doch meist nur wenig besucht werden. Anschließend legen wir einen neuen Pappgürtel an – die Prozedur wiederholen wir alle 4-5 Wochen bis zum Ende der Ernte!
Wellpappegürtel – besonders bei großen Apfelbäumen lohnend…
“Rationell” ist die Sache mit den Wellpappegürteln vor allem bei alten Bäumen mit großer Kronenausdehnung, denn die Maden, die hier aus dem gesamten Kronenbereich mit den Früchten herabfallen, kriechen alle am selben Stamm empor. Bei großen alten Apfelbäumen kann man hier schon mal 50 Maden im Pappgürtel finden, während in einem Obstgarten mit vielen jungen kleinen Bäumen an jedem Stamm jeweils nur wenige Maden zusammenkommen. Die meisten Maden wird man in der Regel im Juni (erste Generation) und dann wieder im August (zweite Generation) fangen, aber je nach dem Witterungsverlauf des Sommers können sich die Grenzen zwischen erster und zweiter Generation des Apfelwicklers auch verwischen, weshalb man die Wellpappegürtel den ganzen Sommer anbringen sollte.
… aber nie hundertprozentig erfolgreich
Erreichen kann man damit eine gewisse Reduzierung des Madenbefalls (“jede Made = mindestens ein Apfel”), aber keine hundertprozentige Bekämpfung der Apfelmade. Denn die Apfelwickler können sich auch im Nachbargarten paaren und von dort aus zufliegen und ihre Eier auf unseren Äpfeln ablegen. Die Sache mit den Wellpappegürteln funktioniert also umso besser, je mehr Nachbarn wir davon überzeugen, bei ihren Apfelbäumen ebenfalls die Gürtel anzulegen, damit auch dort weniger Falter schlüpfen.
Pheromonfallen als zusätzliche Maßnahme
Zusätzlich kann man auch – von Mitte Mai bis zur Ernte – so genannte Pheromonfallen aufhängen, die aus einem kleinen (heute meist Plastik-)Häuschen bestehen, das mit einer Lockstoff-Tablette (mit dem weiblichen Sexuallockstoff des Apfelwicklers) und einer Leimtafel ausgestattet ist. Mit dieser werden ab den ersten warmen Mai-Nächten die paarungswilligen Apfelwickler-Männchen angelockt und gefangen. Aber auch diese Methode verhindert nicht, dass befruchtete Weibchen aus Nachbars Garten zufliegen. Daher gilt auch hier: Je mehr Nachbarn mitmachen, desto wirksamer wird die Maßnahme!
Bekämpfung des Apfelwicklers in großen Obstanlagen
In den Plantagen des biologischen Obstbaus mit hunderten (oder tausenden) von Obstbüschen wären diese Maßnahmen zu aufwändig (und in ihrer Wirkung zu begrenzt). Hier wird zum einen die so genannte Verwirrmethode angewendet, zum anderen gezielte Spritzungen mit einem Virus, der die Apfelwicklerraupen absterben lässt, bevor sie sich in den Apfel einbohren.
Die Verwirrmethode
Bei der Verwirrung werden die (synthetisch nachgebauten) Pheromone – die Sexuallockstoffe des Apfelwicklersweibchens – in der ganzen Obstanlage verteilt, um einen flächendeckenden Duftstoffteppich zu erreichen mit dem Ziel, dass die Apfelwicklermännchen vor lauter Duftstoff ihre realen Weibchen nicht mehr finden (für empfindliche Seelen: eigentlich Tierquälerei…). Zu diesem Zweck müssen im Abstand von max. 4 Metern Duftstoffkapseln in den oberen Kronenbereich der Bäume gehängt werden, d.h. auf einen Hektar (10 000 m²) kommen 625 Kapseln.
Diese Maßnahme macht jedoch nur bei großen Flächen Sinn – ab einem Hektar aufwärts – denn ansonsten würde man mit dem frei in der Anlage verteilten Duftstoff ganz im Gegenteil sogar alle Apfelwickler aus der Umgebung anlocken. Außerdem muss der Duftstoffteppich wirklich flächendeckend sein. In hochstämmigen Obstwiesen dürfte es schwierig sein, die Duftstoffdispenser im 4x4-Raster aufzuhängen (ggf. müsste man hierfür Stangen aufstellen). Und für den Hausgarten ist diese Methode definitiv ungeeignet!
Alternativ werden für den Erwerbsobstbau auch Sprühautomaten angeboten, die das mühsame Aufhängen der Kapseln ersetzen und die ebenfalls einen flächendeckenden Duftteppich bewirken sollen. Das ist jedoch ebenfalls nur etwas für große Flächen. (Anmerkung: Wir haben das 2021 im Obst-Arboretum nach Vorschrift durch den Hersteller ausprobiert - mit verheerendem Ergebnis. Der Apfelwicklerbefall war höher als auf der unbehandelten Streuobstwiese. Anscheinend war der Duftteppich alles andere als flächendeckend und gleichwohl wurden alle Apfelwickler aus der Umgebung angelockt...)
Die Madex-Spritzung
Alternativ wird im Biologischen Obstbau mit der gezielten Spritzung eines Viruspräparats (Produktname 'Madex') eine 'Bio-Waffe' verwendet, die den Vorteil hat, dass sie ausschließlich die Apfelwicklerraupen erkranken und absterben lässt und sich gegenüber anderen Lebewesen neutral verhält.
Voraussetzung für den Erfolg der Spritzung ist allerdings, dass sie nicht „irgendwann“ im Sommer ausgebracht wird, sondern pünktlich dann erfolgt, wenn die Apfelwicklerweibchen ihre Eier abgelegt haben. Um den richtigen Zeitpunkt zu ermitteln, werden ab Mai in der Obstanlage 1-2 der oben beschriebenen Pheromonfallen pro Hektar aufgehängt, die hier lediglich den Zweck haben, die Stärke des nächtlichen Apfelwicklerflugs zu kontrollieren bzw. Flughöhepunkte zu ermitteln. Gehen nach einer besonders warmen Nacht besonders viele Männchen der Falle auf den Leim, muss ca. 8-10 Tage später ‚Madex‘ gespritzt werden.
Madex-Spritzungen wären im Grundsatz auch im Hausgarten und auf der Streuobstwiese machbar. Sie helfen aber nur dann, wenn man zuvor die richtigen Spritzzeitpunkte ermittelt, um die schlüpfenden Räupchen auf den Äpfeln im richtigen Moment zu erwischen. Das erfordert jedoch Fachverstand und das Aufhängen und regelmäßige Kontrollieren der Pheromonfalle (aufzuhängen ab Mitte/Ende Mai). Man kann natürlich auch "blind" ab Ende Mai 1x wöchentlich spritzen - das wird aber teuer und außerdem können sich bei Dauerbeschuss mit dem Granulosevirus auch resistente Falter entwickeln (dennoch machen das manche Bio-Intensiv-Obstbauern so).
Der Erwerb größerer Mengen an Pheromonkapseln (‚RAK 3‘) oder Madex ist im Übrigen nur unter Vorlage eines „Sachkundenachweises“ möglich.
Nicht alles, was machbar ist…
Im Obst-Arboretum Olderdissen wenden wir in erster Linie die sog. Verwirrmethode an, in Jahren mit zu erwartendem stärkerem Befall z.T. auch 1-2 (maximal 3) Spritzungen mit Madex im Juni, d.h. in der ersten Faltergeneration. Eine hundertprozentige Eliminierung des Apfelwicklers erreichen wir aber auch damit nicht. In Streuobstbeständen mit großen alten Bäumen bieten sich die Wellpappegürtel als praktikable Alternative an.
Kontakt und Ansprechpartner:
Hans-Joachim Bannier
Obst-Arboretum Olderdissen
Alte Obstsorten-Obstbaumschnitt -Obstsortenbestimmung
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