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Wie geht eine Obstbaum-Bestellaktion, ganz praktisch? Wir fragen nach
Der LPV Mainz-Kinzig steht stellvertretend für zahlreiche engagierte Verbände und Institutionen, die Jahr für Jahr Baumpflanzaktionen mit Streuobstbäumen organisieren. Mit Blick auf Nachhaltigkeit ist das oberste Ziel: LANGFRISTIG VITALE STREUOBSTBÄUME zu erhalten. Dafür benötigen die jungen Bäume über Jahre intensive Pflege. Gerade für Einsteigerinnen und Einsteiger ist es daher entscheidend, langfristig Hilfe bei Fragen zu bekommen. Ebenso wichtig sind Kenntnisse rund um die Pflanzung, Schnitt und weitere Pflegearbeiten. Ohne fachliche Begleitung ist dies nicht möglich. Bernhard Reisch, Streuobstfachberater des Enzkreises (Baden-Württemberg) hat in einem sehr empfehlenswerten Leitfaden die wichtigsten Grundsätze für den Erfolg einer Baumpflanzaktion zusammengestellt. Er zieht Rückschlüsse aus seinen bisherigen Erfahrungen und gibt Tipps für Umsetzung – von der Baumausgabe bis zur langfristigen Pflege. Wir freuen uns auch über weitere Meinungen, Tipps und Erfahrungen zu diesem Thema. Einfach eine Mail an kontakt@hochstamm-deutschland.de.
Blick in die Praxis: Erfahrungen aus erster Hand
Lernen am Beispiel und Erfahrungsaustausch hilft. Deshalb fragt Hochstamm Deutschland e.V. bei einem Verein nach, der schon seit Jahren Aktionen organisiert. Matthias Metzger, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverband Mainz-Kinzig-Kreis e.V. gibt konkrete Tipps aus seinen Erfahrungen.
- Der Verein: Landschaftspflegeverband Mainz-Kinzig-Kreis e.V.
- Das Projekt: Obstbaum-Bestellaktion
Hochstamm Deutschland e.V. (HD): Herr Metzger, bitte fassen Sie die Aktion kurz in drei Sätzen zusammen. Was machen Sie bei der Obstbaum-Bestellaktion?
Matthias Metzger, Landschaftspflegeverband Mainz-Kinzig-Kreis e.V. (LPV MKK): Die Obstbaumbestellaktion rief der LPV Main-Kinzig-Kreis bereits vor 15 Jahren ins Leben. Seither organisieren wir in Zusammenarbeit mit einer Baumschule und vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aus Verbänden und Kommunen die Bestellung und Verteilung der Bäume. Interessierte erhalten auf unserer Website www.lpv-mkk.de Bestellscheine mit den Obst- Und Wildobstsorten, die sie ausgefüllt an uns senden. Wir geben die Bestellungen an die Baumschulen weiter, die die Bäume nach Abholorten sortiert ausliefert. An zwei Terminen im Herbst finden dann an unterschiedlichen Orten die Ausgabe der Bäume durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer statt.
HD: Warum führen Sie die Aktion durch?
Matthias Mezger: Ein Schwerpunkt unserer Tätigkeiten als Verband ist -der Erhalt der Streuobstgebiete im Main-Kinzig-Kreis als wichtiges Element unserer Kulturlandschaft. In den letzten Jahrzehnten sind viele Streuobstbestände verschwunden und die verbliebenen teilweise stark überaltert. Diesem Trend wirken wir mit unserer Arbeit entgegen. Durch die Bestellaktion und die damit verbundenen Aufklärungsarbeit zur Pflanzung und Pflege von Obstbäumen unterstützen wir engagierte Personen, sich selbst wieder verstärkt für den Erhalt der Obstbaumkultur zu engagieren.
HD: Wie viele Bäume haben Sie in den letzten Jahren gepflanzt?
Matthias Mezger: Wir geben jährlich bei der Aktion mehr als 1.000 Hochstämmen an Privatpersonen aus. Insgesamt sind bereits mehr als 20.000 Obstbäume im Main-Kinzig-Kreis verteilt und neu gepflanzt worden.
HD: Mit wem arbeiten Sie zusammen? Wie wichtig ist ein solches Netzwerk?
Matthias Mezger: Die Obstbäume liefert eine Baumschule aus Franken, mit der wir jährlich die neuen Bestelllisten abstimmen. Seit einigen Jahren bieten wir neben den bewährten alten Obstsorten in Hochstammqualität auch verschiedene Wildobstgehölze, wie Wildbirne, Wildapfel, Speierling oder Edelkastanie an. Die Verteilung der Obstbäume übernehmen Ehrenamtliche. Auch die Kommunen unterstützen, indem sie teilweise kommunale Bauhöfe als Verteilstationen zur Verfügung stellen. Neben Obst- und Gartenbauvereinen engagieren sich auch Naturschutzverbände, Streuobstarbeitskreise und Privatpersonen bei der Ausgabe der Bäume.
HD: Hinter Streuobstbeständen stehen immer engagierte Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter. Wie garantieren Sie, dass die gepflanzten Bäume „in besten Händen“ sind? Findet eine Nachbetreuung und Begleitung beispielsweise von Neueinsteigern statt?
Matthias Mezger: Bei der Vielzahl der ausgegebenen Bäume können wir keine individuelle Hilfestellung bei der Pflanzung und Anwuchspflege gewährleisten. Allerdings bieten wir unterschiedliche Kurse zum Thema an. Unter anderem einen Wochenendkurs „Streuobst für Einsteigerinnen und Einsteiger“. Wer vertieft in die Thematik einsteigt, belegt den Kurs zum zertifizierten Landschaftsobstbauer, den wir seit vielen Jahren mit dem Streuobstexperten Josef Weimer anbieten. Darüber hinaus erhält jeder neue Obstbaumbesitzer ein Merkblatt zur fachgerechten Baumpflanzung. Aktuell erstellen wir derzeit ein Demovideo zur fachgerechten Pflanzung eines Obstbaumes. Es steht demnächst auf unserer Website abrufbereit. Viele Kunden bestellen auch regelmäßig bei uns, hier stehen wir auch in einem engen Austausch. Wer Fragen hat kann sich aber jederzeit an unser Team wenden. Wir stehen grundsätzlich auch für eine individuelle Beratung zur Verfügung.
HD: Gibt es eine Förderung?
Matthias Mezger: Der LPV erhält sowohl aus Landesmitteln als auch vom Main-Kinzig-Kreis eine Förderung der Personalkosten. Eine Förderung der Bäume steht nicht zur Verfügung. Durch die Sammelbestellung bieten wir die Bäume allerdings zu einem fairen Preis an. Wir sind auch der Meinung, dass eine kostenlose oder sehr günstige Abgabe der Bäume dazu führt, dass die Motivation zur Erhaltung und zur Pflege der Bäume nicht so groß ist.
HD: Wie erreichen Sie die Menschen vor Ort? Wie begeistern Sie für die Teilnahme und Pflanzung?
Matthias Mezger: Wir bewerben die Aktion über die regionale Presse sowie über unseren Newsletter und unsere Website. Dadurch dass wir die Aktion seit vielen Jahren regelmäßig anbieten, ist sie bei den interessierten Personen schon fest verankert. Teilweise bekommen wir schon im Frühjahr Anfragen nach Bäumen, die wir dann bis zum Herbst sammeln. Auch pflanzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Streuobstkurse oftmals eigene Bäume.
HD: Ich bin ein Streuobstbewirtschafter und möchte in meiner Region ebenfalls eine solche Aktion starten. Was ist Ihr Tipp für den ersten Schritt? Worauf kommt es an?
Matthias Mezger: Mein Vorschlag ist, zunächst zu schauen, welches vorhandene Netzwerk an Personen ich einbeziehen kann. Einerseits benötige ich eine geeignete Baumschule. Sie muss bereit sein, die Baumlieferung zu übernehmen und auch möglichst Einzelrechnungen für die jeweiligen Baumbesteller auszustellen- was kein geringer logistischer Aufwand ist. Weiterhin ist zu überlegen, wie ich die Aktion bewerbe und wie ich die Bestellungen abwickele. Zumindest für die Ausgabetermine benötige ich freiwillige Helferinnen und Helfer, die bei der Verteilung der Bäume mitwirken. Am besten übernimmt ein Verband mit entsprechenden Strukturen und hautamtlichen Beschäftigten die gesamte Organisation. Ich schlage, vor, einen solchen Verband direkt vor Ort anzusprechen. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen.
HD: Und was gilt es zu vermeiden?
Matthias Mezger: Es gilt zu vermeiden, ein Angebot zu bewerben, dass ich nicht im vollen Umfang leisten kann. Am besten erstelle ich möglichst vorher einen detaillierten Plan, wann welche Aufgaben durch wen zu erledigen sind.
HD: Was ist Ihr Fazit nach mehreren Jahren der Baumpflanzaktion? Würden Sie anderen Initiatoren raten, ebenfalls zu starten?
Matthias Mezger: Wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, empfehlen wir ganz klar: Aktion durchzuführen! Neben der ökologischen Aufwertung der Landschaft ist auch die soziale Komponente solcher Gemeinschaftsaktionen nicht zu unterschätzen. Von der gemeinsamen Baumausgabe - vielleicht mit einem kleinen Imbiss oder Heißgetränk - über den Erfahrungsaustausch über Baumarten, bzw. Obstsorten, bis hin zu gemeinsamen Pflanzaktionen, bieten sich viele Möglichkeiten gemeinsam an einer sinnvollen Aktion teilzuhaben.
Wir sagen herzlichen Dank für das Interview!
Das ist der LPV Main-Kinzig-Kreis e.V.
Der LPV Main-Kinzig-Kreis e.V. gründete sich 1992 gegründet. Er ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Landwirtschaft, Kommunalpolitik und Naturschutz. Der Vorsitz des Verbandes rotiert zwischen den drei Gruppierungen, die gleichberechtigt tätig sind und gemeinsam Projekte zum Schutz unserer Natur- und Kulturlandschaften umsetzen. Matthias Metzger ist der Geschäftsführer des Vereins.
Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis e.V.
Georg-Hartmann-Str. 7
63637 Jossgrund
(06059) 906688
info@lpv-mkk.de
https://www.lpv-mkk.de/
Weitere Informationen:
Bernhard Reisch (o.D.): Pflanzaktion Streuobstbaum. Ablauf und Tipps. Landratsamt Enzkreis. file:///C:/Users/49175/Downloads/Pflanzaktion_Streuobstbaum-2-1.PDF
Foto: Korbinian Fleischer